Von Mönninghausen nach Missouri

 

Auswanderung in die USA im 19. und 20. Jahrhundert

Spurensuche

Bis zum Jahr 2000 war nichts über Auswanderer aus Mönninghausen bekannt. Das änderte sich schlagartig, als Fred und Mary Gladbach aus St. Louis im Jahre 2000 Mönninghausen besuchten. Von ihnen hörte der die beiden rüstigen Senioren begleitende Verfasser zum ersten Mal die Namen der 1857 nach St. Louis ausgewanderten Franz Joseph und  Ferdinand Harke. Die von den Amerikanern mitgebrachten Stammbäume und der 1912 noch in deutscher Sprache verfasste Nachruf F. J. Harkes erlaubten interessante Einblicke in das Leben der ausgewanderten Mönninghäuser in der Neuen Welt. 13 Jahre später meldete sich die Familie Vehige aus St. Paul, St. Charles County, Missouri, zu einem Besuch in Verne und Mönninghausen an. Auch sie waren von Genealogen bestens für die Suche nach ihren Vorfahren in Westfalen vorbereitet worden. Die wichtigsten Quellen stellten die 1973 von den Mormonen fotografierten Kirchenbücher und die im Nationalarchiv in Washington aufbewahrten Schiffslisten dar.

Besuch aus Amerika 2013
Madelene Vehige und Ehemann Bill aus St. Paul in Missouri vor der ehemaligen Hofstelle Lucke, aus dem die Auswanderer Elisabeth, Theresia und Franz Josef Langehenke stammten.      Foto: Dagmar Meschede


Auch die Vehiges besuchten Mönninghausen zum zweiten Mal, konnten diesmal aber vom Verfasser auf der Suche nach ihren Wurzeln sachkundig begleitet werden. Wie sich später herausstellte, war auch Deborah Heimann, eine Nachfahrin der Mennemeyer-Auswanderer, schon1999 in Mönninghausen gewesen. Eine Internet-recherche durch Joseph Ludwigt (Rixbeck) brachte dann die Namen der sieben Mitglieder der Familie Mennemeier zutage, die zwischen 1835 und 1848 ausgewandert waren. Er war auf die Internetseite der Amerikanerin Deborah Heimann gestoßen, die in St. Paul, Missouri, wohnte. Sein Bruder Franz Ludwigt entdeckte in den Gemeindeprotokollen den Vermerk, dass die Gemeinde auf die ausstehenden Kommunalsteuern von Bernhard und Joseph Sprick verzichten müsse, da diese 1866 nach Amerika ausgewandert seien. Der in München lebende Hobbygenealoge Dr. Heinz Sprenger konnte die Auswanderer Wilhelm Sprenger und den in Mönninghausen geborenen Hörster Johann Franz Stephan Kattenbrook mit Frau und Sohn  ermitteln. Der beste Kenner zu diesem Thema im Kreis Soest möchte anonym bleiben. Er ermittelte weitere fünf Auswanderer aus unserem Dorf. Nur fünf Namen fanden sich in den Akten des Kreisarchivs Soest. Sie gehörten zu den wenigen, die um eine Auswanderer-erlaubnis nachgesucht hatten. Allen oben genannten Personen gebührt der herzliche Dank des Verfassers. Ohne ihre Hilfe wäre dieser Beitrag zur Ortsgeschichte nicht zustande gekommen.

 

Bisher bekannte Auswanderer aus Mönninghausen 

1. Martin Mennemeyer (um 1809-1852) war der erste Mönninghäuser, der sich in St. Paul in St. Charles County, MO ansiedelte. Seine Auswanderung erfolgte zwischen 1830 und 1845. Er war vermutlich der „Pfadfinder“, der die Kettenwanderung in Gang brachte.

2. Seine spätere Frau, die 28-jährige Dienstmagd Theresia Langehenke (1820-1893), wagte im Jahre 1848 die Überfahrt auf dem Segelschiff „Charlemagne“ mit der sechsköpfigen Familie von Bernard Mennemeyer. Im gleichen Jahr heiratete sie Martin Mennemeyer  in der All Saints Kirche in St. Peters, MO.

3. - 8. Bernard Mennemeyer (1806-1882), seine Ehefrau Anna Maria Margaret Schulte (1799-1871) und deren Kinder Theresia (14 Jahre alt), Martin (12), Franz (9) und Bernhard (4) kamen am 30. Mai 1848 in New Orleans an. Sie siedelten sich in O’Fallon in St. Charles County an.

9. Wilhelm Sprenger (1812-1881) wanderte um 1852 nach Cuivre Township in St. Charles County, Missouri, aus. Er blieb Junggeselle und vermachte seinen Nichten in Mönninghausen eine hübsche Geldsumme.

10. – 11. Der Schneider Franz Joseph Langehenke (1826-1903) – in der Schiffsliste ist Hörste als Wohnort angegeben - überquerte den Atlantik als 27-jähriger. Am 18. Dezember 1854 kam er von Bremen kommend auf der „Roland“ in New Orleans an. Zwei Jahre später – sein Alter wird mit 29 angegeben, auch der Beruf und der Herkunftsort Hörste stimmen überein – findet er sich auf der Schiffsliste der  „Neptune“, die am 16. Dezember 1856 in New Orleans ankam. An Bord befanden sich auch der 16-jährige Franz Langehenke und die 26-jährige Elisabeth Langehenke. Vermutlich wird Franz Joseph Langehenke die Lage sondiert und die andern ermutigt haben. Zwei Jahre später 1857 heiratete er Mary Anne Mackenbrock (1820-1903) und kaufte 80 acres (131 Morgen) Land in Josephville, MO. Seine Nachkommen leben heute noch auf dem Hof.

12. Elisabeth Langehenke gen. Lucke (1830-98) wanderte 1856 nach Old Monroe, Lincoln County, aus. Sie heiratete 1857 Hermann Joseph Eusterbrock (1813-97) aus Marienfeld, der in den USA einen 130 Morgen großen Hof bewirtschaftete. Sie ist die Urgroßmutter von Madelene Vehige.

13. Johann Franz Stephan Kattenbrook, geb. 26.5.1817 in Mönninghausen, Tagelöhner, Vermögen 100 Thaler, wohnhaft in Hörste, erhielt 1857 den „Konsens“ (Erlaubnis der Behörden) zur Auswanderung in die USA. Mit ihm reisten seine Ehefrau und der 12-jährige Sohn Franz.

14. Franz Joseph Harke (1835-1912) wanderte 1857 als 22-jähriger  von Le Havre über New Orleans nach Normandy bei St. Louis aus.

15. Sein Bruder Stephan Ferdinand Harke, (1852-75) folgte nach Aussagen von Mary Gladbach später.

16.-17. Der Tagelöhner Konrad Theodor Niermann (geb. 1827) und seine nicht aus Mönninghausen stammende Frau Elisabeth wanderten 1857 aus. Beide stehen auf der Passagierliste der „Anna Delius“.

18.-20. Ferdinand Schulte (geb. 1826) gen. Knepper und  Bernhard Schulte erhielten am 12.8.1857 die Erlaubnis zur Auswanderung. Im gleichen Jahr hatte Ferdinand Schulte Elisabeth Böhmer in der Vitus-Kirche in Mönninghausen geheiratet. Bernhard Schulte soll in Bönninghausen auf der Hofstelle ‚Amreike’ gelebt haben.

21. Die Witwe des am 29 März 1787 in Mönninghausen geborenen und am 17 Juni 1841 verstorbenen Wilhelm Büchter war eine geborene Gertrud Elisabeth Hagedorn gt Schulte (geb. 1786 in Bönning­hausen). Sie verstarb im Jahre 1858 in Osage County, MO. Der Büchtersche Hof  gehört zu den untergegangenen Hofstellen. Er lag an der Geseker Straße zwischen Schulte und Weßling gnt. Mertens.

22.–25. Ihre Tochter Gertrud Büchter (geb. 1815 in Mönninghausen) und ihr aus Garfeln stammender Ehemann Ferdinand Böckmann (geb. 1806, Hochzeit 1834 in Mönninghausen) wanderte mit ihren 1838 und 1842 in Mönninghausen geborenen Kindern Martin Joseph und Maria Elisabeth nach 
Osage County aus.

 

 Hermann Eusterbrock aus Marienfeld und seine Ehefrau Elisabeth geb. Langehenke aus Mönninghausen

 

26.-27. Ihr 1822 geborener Sohn Franz Wilhelm Büchter und seine seit 1857 mit ihm verheiratete Frau Gertrud Dicke aus Störmede wurden im Jahre 1860 bei der Volkszählung in Osage County, MO erfasst. Franz Wilhelm Büchter starb im Jahre 1872 in Miller County, MO.

28.-29. Bernhard Sprick gen. Gerwin (geb. 25.1.1835) und sein Bruder Joseph (geb. 19.5.1838) weigerten sich laut Gemeindeprotokollbuch vom 16.4.1866 die Gemeindesteuern für das Jahr 1865 zu bezahlen. Der Gemeinderat denkt an Zwangsmittel oder Zwangsarbeit zur Beitreibung der Rückstände. Im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 27. April 1867 heißt es: „Die Schuldner sind nach America ausgewandert …“. Beide finden sich 1870 in den Zensuslisten im Pulaski County, Arkansas. Bernhard heiratete am 5.3.1867 die 21-jährige Elisabeth Pieper in Mönninghausen. Er starb am 13.9.1910 und liegt in Little Rock AR. begraben. Joseph heiratete am 5. Mai 1867 Gertrud Beine aus dem Kirchspiel Boke in Little Rock AR. Noch heute leben Nachfahren der Spricks in Little Rock. Dan T. Sprick war von 1945-47 Bürgermeister von Little Rock, von 1961-70 war er Senator im Senat des Staates Arkansas. Daniel Sprick ist Künstler.

30. Maria Jockenhövel, geb. am 8.10.1841 in Mönninghausen als Tochter des Tagelöhners Johan Henrich Jockenhövel und Anna Maria Ludwig, vermutlich seit 1868 in Essen verheiratet mit Heinrich Weirich (1843-1925) aus Niederschlesien, soll 1881 ausgewandert sein. Sie starb am 29.11.1913 und ist begraben auf dem St. Joseph Cemetery in Alton, Madison County, Illinois. Das Ehepaar hatte sechs Kinder.

31. Maria Gertrud Schlüter (geb. 23.1.1845 in Mönninghausen) heiratete 1879 den aus Allagen stammenden Franz Ernst Thiele in Dortmund. Sie fuhren mit den beiden in Dortmund geborenen Töchtern  Maria Theresia und Anna Maria von Bremen aus mit der „Mosel“ nach New York, wo sie am 10. Oktober 1881 ankamen. In Miles, Texas, betrieben sie Landwirtschaft.


32. Schwester Germella geb. Elisabeth Mühlenmeier (1895-1987) wurde von ihrem Orden 1923 in die USA geschickt. Sie arbeitete 57 Jahre als Krankenschwester in Evanston in Texas. 

33. Schwester Mathea  geb. Maria Dahlhoff (1917-2007) wurde von ihrem Orden 1938 mit zwei Mitschwestern in die USA gebracht, um den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Sie arbeitete als Lehrerin in China, Taiwan, auf den Philippinen und in Texas.

 

Schwester Germella Mühlenmeier                                                                   Schwester Mathea Dalhoff

 

Schwere Anfänge

Über das Schicksal von Martin Mennemeyer (~1809-52) und Theresia Langehenke (1820-93) berichtet Deborah Heimann in ihrer per Zip-Datei über den Atlantik geschickten Familiengeschichte. Beide heirateten am 18. Juni 1848 in der All Saints Catholic Church in St. Peters, MO. Aus den Katasterbüchern geht hervor, dass sie Ende des Jahres 1851 insgesamt 94 acre (152 Morgen) Land zum Preis von 560 $ kauften. Sie zahlten davon $ 100 in bar an. Das Land in der Nähe von St. Paul hatte eine Quelle und einen reichen Bestand von Eichenbäumen. Mit einer Schicht von 40 cm Mutterboden war der Boden fruchtbar. Auf ihrem Grundstück standen ein Blockhaus, das häufig umgebaut worden ist, und eine Scheune. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob diese Gebäude von ihnen erbaut worden sind oder bereits beim Kauf vorhanden waren. Die Voraussetzungen für eine glückliche Zukunft waren damit geschaffen.

Doch dann stellten sich die ersten Rückschläge ein. Die beiden Siedler aus Mönninghausen hatten drei gemeinsame Kinder. Der 1849 geborene William Menne starb im gleichen Jahr. Der 1851 geborene Joseph Menne ebenfalls. Das dritte Kind namens William Menne wurde 1853 in der St. Joseph Catholic Church in Josephville. MO getauft und überlebte. In den Jahren 1852 und 1853 gehörte Martin Mennemeyer zu den Personen, die die neue Kirche in St. Paul erbauten. Ende 1852 war seine Frau erneut schwanger und der Landarbeiter Franz Hoff wurde eingestellt, weil die Arbeit an der Kirche viel Zeit in Anspruch nahm. Im Frühjahr 1853 starb Martin Mennemeyer völlig unerwartet wenige Monate nach der Geburt seines Sohnes William. Wie damals üblich, wurde der der größte Teil des mit Schulden belasteten Landbesitzes, das Vieh und die Ausrüstungsgegenstände des Hofes im Auftrag des Sheriffs treuhänderisch verwaltet und versteigert. Es war üblich, dass der Witwe eine Garnitur Töpfe und Geschirr, sowie einige Hühner und eine Milchkuh belassen wurden, damit sie überleben konnte. Offenbar wurde das Haus jedoch nicht versteigert. In dieser Zeit kümmerte sich Franz Hoff um die Witwe und ihren Säugling. Da er mit der Farm vertraut war, wurde er mit anderen Treuhändern als Verwalter eingesetzt. In der Familie wird erzählt, dass er die wertvollen Ausrüstungsgegenstände gut im Wald versteckte und einige Kühe und Pferde auslieh, damit sie nicht in die Konkursmasse einbezogen wurden. Haus und Scheune verblieben mit etwa 27 Morgen Land im Besitz der Witwe. Deren Situation war deswegen besonders schwierig, weil sie noch keine erwachsenen Kinder hatte, die hätten mithelfen können, den Lebensunterhalt zu bestreiten.  Deshalb verwundert es nicht, dass Theresia Menne am 30. August 1853 nach erfolgter Versteigerung und der Abzahlung aller Schulden Franz Hoff  heiratete, der bereits mit dem Hof vertraut war. So gelang es ihr, den Säugling großzuziehen und den Resthof für sich und ihren Sohn William zu erhalten.

 

Theresia verw. Menne(meyer) geb. Langehenke mit ihrem 2. Ehemann Franz Hoff um 1880

Deborah Heimann berichtet, dass es Fritz Hoff sogar gelungen sei, den Resthof durch den Erwerb von umliegenden Höfen, die aufgegeben wurden, auf 360 acres (582 Morgen)zu erweitern. Wie bis heute in den USA üblich, verkaufte er diese 1880 an den inzwischen 27 Jahre alten Stiefsohn William Menne. Nachdem dieser seine Schulden im Jahre 1881 beglichen hatte, zog er mit seiner Frau Mary. F. Baecker (†1927), die er 1880 geheiratet hatte, auf den Hof. In der Geschichte von ‚Dog Prairie’ heißt es, dass Fritz Hoff und seine Frau Theresia noch 4 Kinder hatten und sich 1868 ein stattliches Wohnhaus aus Backsteinen erbauten. Sein einziger Sohn Fritz habe die Farm seines Vaters geerbt. Franz Hoff verstarb 1891 und seine Frau Theresia geb. Langehenke, verwitwete Menne, im Jahre 1893.


Flucht aus aussichtslosen Verhältnissen

Bernard Mennemeyer (1806-82) wird von seinem älteren Bruder Martin dazu ermutigt worden sein, mit seiner Frau Anna Maria Margaret geb. Schulte (1835-71) und den vier minderjährigen Kindern Theresia (14 Jahre alt), Martin (12), Franz (9) und Bernhard (4), die Zelte in Mönninghausen abzubrechen und auszuwandern. Er hat ihm sicher auch aufgetragen, seine Braut Theresia Langehenke (1820-1893) mitzubringen. Die 28-jährige Dienstmagd stammte ebenfalls von der Springlake aus der kleinen Hofstelle Lucke (heute Lammert). An Bord wird sie sich um die Kinder der Mitreisenden aus Mönninghausen gekümmert haben. Franz Ludwigt fand in der Akte „Beckersche Familienstiftung“ im Pfarrarchiv den Beweis, dass die drückende Schuldenlast der Mennemeyers einen Neuanfang in den USA erzwang. Diese mag ihre Ursache in der schlechten Getreideernte im Jahr 1846 und dem darauf folgenden Hungerwinter 1846/7 sowie der 1847 in Mitteleuropa grassierenden Kartoffelfäule gehabt haben. Das Haus der Mennemeyers befand sich zwischen Rötz (heute Gutland) und Küken (heute Niermann).

Die Gefahren der Überfahrt nahmen die Mennemeiers für den Traum von einer eigenen Hofstelle in Kauf. Die Gruppe Mennemeyer bestand aus 3 Erwachsenen und  vier Kindern im Alter von 4 – 14 Jahren, als sie im Frühjahr des Jahres 1848 die Überfahrt wagten. Sie kamen am 30. Mai 1848 in New Orleans an. Die bis zu drei Monaten dauernde Überfahrt war nicht ungefährlich. Aus der Passagierliste der „Charlemagne“, die von Hamburg kommend am 30. Mai 1848 in New Orleans anlegte, geht hervor, dass sechs der 279 Passagiere gestorben und den kalten Fluten des Atlantik übergeben worden waren. Das 1828 in New York City gebaute Schiff hatte eine Wasserverdrängung von 442 Tonnen, war 38 Meter lang und hatte eine nutzbare Fläche von 650 m². Dann reiste die Gruppe zum Preis von $ 18 pro Person mit dem Raddampfer die rund 1800 km den Mississippi aufwärts bis nach St. Louis. Mit einem fast 10 km langen Kai war St. Louis 1852 der größte Binnenhafen der USA. Von dort aus lag noch eine achtstündige Fahrt mit dem Pferdewagen zu ihrem 70 km entfernten Zielort O’Fallon in St. Charles County vor ihnen. Ob Bernard Mennemeyer Land besaß, ist nicht bekannt. Nach Aussage von Frau Deborah Heimann waren seine beiden Söhne Frank und Bernard aber erfolgreiche Farmer in St. Charles County. Die Familien der Söhne Frank Menne und Bernard Menne Jr., die ihre Namen amerikanisierten, brachten es zusammen auf 26 Kinder.

 

Von der Dienstmagd zur Bäuerin

Im Jahre 1856 verließ die in der Passagierliste der „Neptune" als Dienstmagd geführte Elisabeth Langehenke (1830-1898) ihr Heimatdorf Mönninghausen. Damit begann das größte Abenteuer ihres Lebens. Sie war 26 Jahre alt und das elfte Kind von Johannes Jodokus Bernard Langehenke (1774-1838) und Anna Maria Lucke (1782-1834). Ihr in Verne geborener Vater hatte in die kleine Hofstelle Lucke an der Springlake in Mönninghausen eingeheiratet. Ihre Eltern und die Großeltern Bernard Heinrich Lucke und Catharina Maria Heers in Mönninghausen sowie Heinrich Anton Langehenke und Anna Maria Illies in Verne waren sicher bestürzt, als sie von ihrem Vorhaben erfuhren. Dennoch wagte sie den Schritt. Erleichtert wurde ihr der Entschluss, weil ihre Schwester Theresia und ihr Bruder Franz Joseph bereits in die USA ausgewandert waren. Elisabeth reiste im Spätherbst 1856 als 26-jährige allein auf der „Neptune“ von Bremen nach New Orleans. An Bord waren 218 Personen darunter 40 Kinder unter acht Jahren.  An Bord befanden sich auch die Schneider Joseph und Franz Langehenke  aus Hörste. Diese waren vermutlich ihre Vettern. Sie kam am 16. Dezember 1856 in New Orleans an. Sie reiste dann den Mississippi flussaufwärts nach Missouri, wo sie 14 Tage darauf in Allen Prairie – später Josephville in der Nähe von St. Louis – ihren Bruder Franz Joseph (1826-1903) und ihre Schwester Theresia (1820-1893) traf. Spätestens hier begegnete sie Hermann Eusterbrock (1813-1897), der aus Marienfeld stammte, und heiratete ihn im Jahre 1857. Dieser hatte im Jahr 1855 einen 106 acre (174 Morgen) großen Hof in Old Monroe, St. Charles County, MO, gekauft. Dort wuchsen dann die acht Kinder des Ehepaares auf. Ihr jüngster Sohn, Henry Caspar (1873-1954), übernahm die Farm. Er heiratete Josephine Anna Burkemper (1881-1947), deren Vater aus Wadersloh stammte. Sie hatten 16 Kinder.  Zehn dieser Kinder erreichten das Erwachsenenleben. Elisabeth Langehenke  hatte innerhalb eines Jahres den Aufstieg von der Dienstmagd zur Bäuerin geschafft.

                                

Die Einwandererfamilie Eusterbrock in Old Monroe um 1885 
v.l.: Mutter Elisabeth geb. Langehenke aus Mönninghausen, Kinder Theresa, Henry und Caroline, Vater Hermann Eusterbrock aus Marienfeld Foto im Besitz von Madelene Vehige

Franz Joseph Harke und Ehefrau Wilhelmina geb. Peine    

Foto im Besitz von Mary Kay Gladbach

Die Erfüllung des amerikanischen Traums

Franz Joseph Harke (1835-1912) war das vierte Kind und der zweite Sohn von Franz Joseph und Margarethe Harke geb. Mennemeyer, die aus Öchtringhausen bzw. Garfeln stammten. Er hatte sieben Geschwister und gehörte zu denen, die den Mut hatten auszuwandern, um ein neues Leben auf der anderen Seite des Atlantiks zu beginnen. Nach seiner Ankunft im Jahre 1857 betätigte sich der 22-jährige als Hufschmied in Pine Lawn, einem Vorort von St. Louis. 1862 heiratete er in der heute verfallenen Liboriuskirche in St. Louis Wilhelmina Peine aus Nieheim. Die Gemeinde wurde von dem in Verne geborenen Pfarrer Stephan Schweihoff (1820-1869) geführt. Aus der Ehe gingen 10 Kinder hervor, von denen 7 überlebten. Im amerikanischen Bürgerkrieg diente er als Soldat der Heimatarmee in Fort Burton. Seine Ausbildung soll er in der preußischen Armee erhalten haben. 1867 kaufte er eine Farm an der Florissant Road, auf der er bis 1905 Gemüse anbaute. Wie in Amerika üblich, verkaufte er die 62 Morgen für $ 3000 an seinen Sohn. 1868 erhielten beide Harkes die amerikanische Staatsbürgerschaft. Franz J. Harke handelte wiederholt gewinnbringend mit Land in der Größenordnung von 10 bis 120 Morgen, so dass er bei seinem Tod im Jahre 1912 seiner Gattin, seinen sieben Töchtern, drei Söhnen, 24 Enkeln und einem Urenkel ein ansehnliches Vermögen hinterlassen konnte. Seine Nachfahren sind der Meinung, dass er später noch dreimal zu Besuchen nach Mönninghausen zurückgekehrt sei. Wie die anderen Auswanderer aus Mönninghausen blieben auch die Harkes treue Katholiken, die im kirchlichen Vereins-wesen aufgingen. F. J. Harke war Kapitelmitglied der „Katholischen Ritter von Amerika“, einer Selbsthilfeorganisation, die bis heute Versicherungsschutz und soziale Hilfen anbietet. Für ihn war der amerikanische Traum in Erfüllung gegangen. Alle diese Informationen sind Fred und Mary Kay Gladbach aus St. Louis zu verdanken, die Mönninghausen und Öchtringhausen im Jahre 2000 besuchten.

 

Motive für die Auswanderung

Hauptgrund für die Auswanderung war der katastrophale Preisverfall beim Leinen durch Baumwolle und maschinell hergestellte Webwaren. Ein Merkmal, das all diesen Gebieten mit starker Auswanderung gemeinsam ist, war eine ausgeprägte Heimindustrie der Leinenweberei, die von den ländlichen Unterschichten im Nebenerwerb ausgeübt wurde, aber schnell dem Wettbewerb mit der mechanisierten Industrie unterlag. Auch der durch die Kontinentalsperre bedingte Verlust der Märkte in Südamerika an die Briten und die Verdrängung des Leines durch die Baumwolle waren dafür verantwortlich, dass zwischen 1830 bis 1840  die Preise für handgewebtes Leinen in Westfalen und ganz Westeuropa um bis zu 90 % fielen. Damit war es mit dem Zubrot durch die Handweberei, die als Nebenverdienst besonders für Heuerlinge und Kleinbauern von Bedeutung war, schlagartig vorbei und es folgte der Zusammenbruch des Leinengewerbes. Wie wichtig das Spinnen und Weben im Nebenerwerb auch in Mönninghausen gewesen war, zeigt sich in der Tatsache, dass es 1818 in 71 Wohnhäusern 52 Webstühle gab.

Eine weitere Ursache für den schweren Entschluss auszuwandern, war der Bevölkerungs­zuwachs und die damit verbundene Verarmung der unteren Schichten. Zwischen 1750 und 1850 war die Einwohnerzahl in Europa von 62 auf 116 Millionen angewachsen. So viele Menschen konnte das Land nicht mehr angemessen ernähren und beschäftigen. Die Familie Langehenke gen. Lucke hatte 11 Kinder, Franz Joseph Harke stammte aus einer Familie von 8 Kindern. Für die nachgeborenen Söhne und Töchter war ein neues Leben auf billigem Land in Amerika oder Australien die einzige Möglichkeit, einem Dasein als unverheirateter Knecht oder Dienstmagd zu entgehen.

Die Mönninghäuser Auswanderer gehörten wohl der als Heuerlinge bezeichneten ländlichen Unterschicht an. Diese besaßen weder Haus noch Land. Sie wohnten zur Miete und pachteten etwa vier Morgen Ackerland. Dafür waren sie verpflichtet, dem Verpächter beim Dreschen und in der Ernte zu helfen. Ohne ein Zusatzeinkommen durch Spinnen und Weben konnte diese soziale Unterschicht des Dorfes nicht existieren. Drückende Armut und wirtschaftliche Aussichtslosigkeit spricht aus den im Pfarrarchiv in Mönninghausen aufgefundenen Bittbriefen der Mennemeyers an die Beckersche Familienstiftung um weitere finanzielle Unterstützung. Er hatte schon einmal Zuwendungen bekommen. Als ein zweiter Antrag auf Hilfe abgelehnt worden war bat er den Pfarrer Schüchter unter Tränen, es noch einmal zu versuchen, da sein Haushalt große Not leide und er Schulden und Zinsen nicht mehr bezahlen könne.

Viele junge Männer ab dem 20. Lebensjahr wollten sich der gefürchteten dreijährigen Militärdienstpflicht in Preußen entziehen. Alle beflügelte der Ehrgeiz, es weiter zu bringen. Die Auswanderung bot die größten Chancen, die soziale Lage zu verbessern und das armselige Leben als Knecht, der in einem Verschlag in der Pferdebucht nächtigte, oder als unverheiratete Dienstmagd hinter sich zu lassen. Rund 58 % der Auswanderer sind im Alter von 11 bis 40 Jahren ausgewandert. Das weist darauf hin, dass die Jugendlichen in der Heimat keine Zukunftsperspektiven sahen und glaubten, Amerika biete ihnen die Chance, das zu gewinnen, was ihnen in der Heimat verwehrt war: Arbeit, Verdienst, Land, Eigentum, eigene Familie.


Die Überfahrt

Schätzungsweise 90% aller westfälischen Auswanderer (350.000) brachen von Bremerhaven aus in die Neue Welt auf. Das erste Abenteuer auf dem Weg nach Amerika war die Anreise nach Bremen. Bis zur Fertigstellung der transkontinentalen Eisenbahn im Jahre 1869 betraten  75% der Auswanderer in New Orleans im Bundesstaat Louisiana, amerikanischen Boden. Die 9.600 km lange Reise von Bremen nach New Orleans dauerte  je nach Wetterlage etwa 2 ½ bis 3 ½  Monate. Seine Habseligkeiten verstaute man in einer Truhe, Koffer genannt. Geld trug man in einem Beutel um den Hals, da an Bord viel gestohlen wurde. Brot röstete man vor der Überfahrt, damit es länger haltbar blieb. An Bord waren Holzkohlegrills in Betrieb, auf denen sich jeder sein Essen selbst zubereiten konnte. Die Hauptreisemonate waren April bis November.


Missouri und Illinois

Oft blieben die Neuankömmlinge eine Zeitlang in den Ankunftshäfen New Orleans oder Baltimore und verdienten sich dort als Handwerker oder Arbeiter das Startkapital für den Neuanfang. Dann bestiegen sie einen Raddampfer und fuhren etwa 14 Tage lang eine Strecke von 1.800 km den Mississippi aufwärts bis nach St. Louis. Dort konnten sie sich dann für 1,20 Dollar pro acre (0,41 ha) ein Stadtgrundstück oder eine kleine Farm kaufen.


Segelschiff „Charlemagne“ Baujahr 182

Im Jahre 1848 reisten die Mönninghäuser Theresia Langehenke und die sechsköpfige Familie ihres zukünftigen Schwagers Bernhard Mennemeyer in den Monaten April und Mai auf dem 38 m langen, 273 Passagiere fassenden Schiff von Hamburg nach New Orleans. Foto des Aquarells in der Familiengeschichte von Deborah Heimann

 

Hafen von St. Louis um 1870   

‚River Queen’ nannte man die Stadt St. Louis am Mississippi. 170 Raddampfer lagen an der 10 km langen Mole des größten Binnenhafens der USA, Hier endete die 1.800 km lange Reise auf dem Mississippi.    Foto Thomas Easterl in der Familiengeschichte von Deborah Heimann



In den Bundesstaaten Missouri und Illinois lagen die von den deutschen Auswanderern bevorzugten Siedlungsgebiete. Die Indianer waren besiegt und das dünn besiedelte „Territory“ war 1821 zum Bundesstaat Missouri erhoben worden. Die Auswanderung aus Westfalen dorthin begann in den 1830er Jahren. Als die Heimat mit den begeisterten Briefen über die Möglichkeiten im „gelobten Land Amerika“ überschüttet wurde, setzten Kettenwanderungen der Geschwister und Nachbarn ein. So wurden wie z.B. in Westenholz mit über 252 Auswanderern halbe Dörfer nach Amerika verpflanzt. Es verwundert nicht, dass sich in beiden Staaten Ortsnamen wie Westphalia, Minster, Minden, Paderborn, St. Libory, Detmold, Dülmen, Arnsberg, Lippstadt (im Warren County), Minden (achtmal) oder New Melle finden. St. Louis und Umgebung wurden von den Deutschen auch wegen der Ähnlichkeit der Landschaft mit der Heimat, wegen des Klimas, des Waldreichtums und des billigen Farmlandes bevorzugt. Heute gelten 55 % der Einwohner des Bundesstaates Missouri als deutschstämmig.

Landbesitz stellte die solideste wirtschaftliche Grundlage dar. Auch die Mönninghäuser Auswanderer träumten von einem eigenen großen Hof. Wie die anderen westfälischen Siedler zogen sie es vor, in den nach Beendigung der Indianerkriege im Jahre 1832 erschlossenen Gebieten des mittleren Westens kultiviertes Land zu bearbeiten. Immer wieder gab die Regierung dem Drängen der weißen Siedler nach und nahm den schon mehrfach zwangum-gesiedelten Indianerstämmen das auf ‚ewige Zeiten’ versprochene Land wieder ab. Zigmillionen Hektar ackerfähige Prairie wurden für 0,5 bis 5 $ je acre (4047 m²) verkauft.

Manchmal gab es auch kostenloses Land. 1843, 1845 und 1862 erlaubte die Regierung im Homestead Act (Heimstätten-Gesetz) jedem amerikanischen Staatsbürger, sich ungenutztes öffentliches Land im Umfang von 160 acres (262 Morgen) anzueignen. Die amerikanische Staatsangehörigkeit konnten die Neuankömmlinge nach 5 Jahren erwerben. Erst dann durften sie das Wahlrecht ausüben. Bis heute wählen die Deutschen in St. Louis und Umgebung überwiegend republikanisch.

Der amerikanische Historiker Kamphoefner stellte bei der Untersuchung sowohl der Herkunfts- als auch der Zielregionen in seinem Buch „Westfalen in der Neuen Welt“ fest, dass die Westfalen durch Sprache, Religion und landsmannschaftliche Herkunft vertraute Zielgebiete suchten. Herkunfts- und Zielgebiet sollten so ähnlich wie möglich sein. In Missouri wurden deshalb westfälische Siedlungen errichtet. Solche landsmannschaftlichen Enklaven waren besonders auf dem Land eher die Regel als die Ausnahme, und sie sorgten dafür, dass Auswanderung alles andere als Entwurzelung bedeutet. Das trifft auch auf die Mönninghäuser Auswanderer zu. 11 von 16 Personen siedelten sich in St. Charles County, zwei weitere 40 km entfernt am Stadtrand von St. Louis an. Daher wäre man fast versucht, St. Paul als „verpflanztes Dorf“ zu bezeichnen. Jedenfalls war hier eine stabile, homogene ländliche Gesellschaft entstanden, die für mindestens 11 ehemalige Mönninghäuser zu einer neuen Heimatregion wurden. Durch früher angekommene Einwanderer waren Netzwerke entstanden, die die Eingewöhnung in die neue Umgebung erleichterten. Sie verhalfen den Neuankömmlingen zu mehr Sicherheit durch soziale und familiäre Kontakte. Oft wurden sie von Verwandten abgeholt, begrüßt und eine Zeitlang untergebracht. Später halfen die Verwandten in Krisenzeiten und banden die Neuankömmlinge in ihre Gemeinschaft ein. Nicht vergessen werden darf, dass der Aufbau einer eigenen Existenz meist unglaublich hart und entbehrungsreich und wie im Falle der Theresia Langehenke durch den frühen Tod ihres Mannes jederzeit gefährdet war. Nur im Familien- und Siedlerverband konnten sich die Auswanderer im Mittleren Westen ein neues Zuhause mit eigenen Schulen, Kirchenge-meinden und Dörfern in St. Charles County schaffen, wobei die plattdeutsche Sprache das verbindende Band über Konfessionsgrenzen hinaus war. Gemeinsam ließen sich auch die feuchte, erstickende Hitze von bis zu 40 C im Sommer und bis zu – 40 Grad Kälte im Winter besser ertragen.

Kirche und Friedhof  von St. Paul, Charles County, MO.
St. Paul und seine Nachbarorte wurden für elf Mönninghäuser zur Heimat in der Fremde. Foto: Madelene Vehige

 

St. Paul in Missouri

St. Paul, der Heimatort der Familien Menne, Molitor, Arens, Kruse, Dalhoff, Freymuth, Frieden, Meyer, Röper, Stahlschmidt, Vetsch, Floer, Laebeck, Haas, Müller, Grabenhorst, Schoene und Hoeckelmann. – und von Bill und Madelene Vehige - liegt im Norden von St. Charles County. Der Ortsname entstand 1878. Der frühere Name soll “Dog Prairie“ gewesen sein. Die Entfernung von St. Paul nach St. Louis beträgt 64 km, nach Old Monroe 13 km, nach O’Fallon 14 km und nach Josephville, 8 km. Auch Flintville und Wentzville sind Nachbardörfer. Das Gelände ist hügelig und befindet sich oberhalb des Überschwemmungs-gebiets des Missouri Rivers. St. Paul soll als Beispiel für die anderen Dörfer des Distrikts, in denen 11 aus Mönninghausen stammenden Auswanderer siedelten, näher beschrieben werden.

Judy Sigmund hat in der dem Verfasser geschenkten 150-seitigen Geschichte mit dem Titel „Dog Prairie Tales“ ihrem Heimatort ein Denkmal gesetzt. Die deutsche Besiedelung begann um 1830 und endete um 1860. Das billige, fruchtbare Land war begehrt. Der Ort hat eine katholische Pfarrkirche, eine kath. Grundschule, eine Gaststätte, die „Dog Prairie Tavern“, eine Autoreparaturwerkstatt und eine Freiwillige Feuerwehr. Bis 1980 bot das kleine Dorf mit etwa 450 Einwohnern als ethnische Enklave einen gewissen Ersatz für die vertraute Umgebung des ehemaligen Geburtsortes. Die Untersuchungen Kamphoefners ergaben, dass die verpflanzten Westfalen weitgehend unter sich blieben, was ihre Wohnorte, die Kirchenmitgliedschaft und ihre Ehepartner anging. Die Beheimatung der Neuankömmlinge aus Mönninghausen fand vor allem durch die Gründung von katholischen Pfarrgemeinden und Schulen statt. Noch heute ist die  Pfarrkirche St. Paul der gefühlte Mittelpunkt der Gemeinde. Die erste Holzkirche wurde 1836 errichtet. Mit der sprunghaft zunehmenden Zahl der Siedler war die kleine Holzkirche schon 11 Jahre später zu klein. So wurde 1848-54 eine neue Kirche aus Sandsteinblöcken mit den Massen 9,50 x 19 m gebaut. Sie hatte einen hölzernen Turm. 1895 beschloss man den Bau der heutigen Pfarrkirche. Zwei Jahre dauerte es, bis man in Eigenleistung die Baumaterialien auf 500 pferdebespannten Wagen von der 3,2 km entfernten Bahnstation in Eigenleistung mit Pferdefuhrwerken heran gekarrt hatte. 1898 konnte Pater Tintrup den ersten Gottesdienst in der im Stil der amerikanischen Neugotik errichteten Backsteinkirche feiern. Sie hat die stattlichen Maße von 11,30 m x 28,30 m. Der Turm ist 30 m hoch.

Die erste öffentliche Schule wurde im Jahre 1837 errichtet. Die katholischen Einwanderer aus Westfalen schickten ihre Kinder jedoch lieber auf eine katholische Schule der Pfarrgemeinde. Sie waren der Ansicht, dass Religionsunterricht Teil des Stundenplans sein müsse. Sie mussten diese natürlich selbst finanzieren. Die Folge war, dass viele Kinder erst gar nicht zur Schule geschickt wurden. Ursulinerinnen aus Österreich waren ab 1872 die ersten Lehrerinnen an der katholischen Schule von St. Paul. Wegen der großen Entfernungen gab es für Mädchen die Möglichkeit bei den Nonnen und für Jungen im Pfarrhaus bis zum 13. Lebensjahr als Internatsschüler unterzukommen. Im Jahre 1935 übernahmen die Schwestern vom kostbaren Blute aus O’Fallon den Unterricht. Diese Verhältnisse waren identisch mit dem auch hier in Westfalen bis 1960 intakten katholischen Milieu, dass sich scharf von allem Protestantischen abgrenzte. Madelene Vehige berichtet, dass das Eingehen einer Mischehe vor nicht allzu langer Zeit zum Ausschluss aus der Familie geführt habe.

 

Integration - nicht Assimilation

Wer auswanderte, verließ das soziale Sicherungssystem seiner Familie für immer. Deshalb hielten sich die Auswanderer aus Mönninghausen in der neuen Heimat an das Netzwerk  deutschstämmiger Einwanderer und Verwandter. Vor allem die gemeinsame plattdeutsche Sprache war ein wichtiges Mittel zur Bewältigung der neuen Lebensumstände. Bekanntheit, voraussagbares Verhalten und Gewohnheiten machten Risiken kalkulierbar und schufen psychische Stabilität. In der Familie Vehige findet die Partnerwahl noch in der 5. Generation z.T. in deutschstämmigen Kreisen statt. Schon zu Beginn der Auswanderung hatte die Vermittlung von Bräuten aus der Heimat für heiratsfähige „plattdeutsche“ junge Männer auf ihren einsamen Farmen eine Rolle gespielt. Wie damals in Mönninghausen heiratete man Nachbarmädchen aus dem Nachbardorf oder ließ Cousinen dritten Grades, Nachbarstöchter oder Mägde von zu Haus als Bräute nachkommen.

Im Ersten Weltkrieg war es verpönt, Deutsch zu sprechen, in einigen Staaten sogar unter Androhung einer Gefängnisstrafe verboten. Weil die Muttersprache fast aller westfälischen Amerikafahrer Plattdeutsch war, sprachen die Auswanderer auch in Amerika selbstverständlich weiter ihr heimisches „Platt“, und zwar über mehrere folgende Generationen. Eine Sprache, die dort dann während beider Weltkriege, als Deutsch zu reden verpönt war, von den amtlichen Aufpassern für „Dutch“ (Holländisch) gehalten wurde und deswegen im öffentlichen Leben auf dem platten Lande meist problemlos weiter gesprochen werden konnte.  Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg war in den „Little Westphalians“ des Mittleren Westens Plattdeutsch die Umgangssprache der Älteren und Alten auch noch vereinzelt im Gottesdienst.

Die eine Zeitlang abgebrochene Brücke von der Alten zur Neuen Welt ist durch die Besuche aus Amerika, das auch in Mönninghausen von immer mehr Menschen gesprochene Englisch und den gemeinsamen Kampf gegen alle Formen der totalitären Diktatur nach dem Zweiten Weltkrieg wieder begehbar geworden.



Veröffentlichung des Artikels mit freundlicher Genehmigung des Autors Franz Jakob.

Herzlichen Dank für die Erlaubnis der namentlich Genannten, die beigefügten  Bilder zu veröffentlichen.

   
 
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